Die Einweihung bedeutender Einrichtungen gehört wohl zu den Pflichten eines Staatsoberhaupts dazu. Und so ließ es sich der Niederländische König Willem-Alexander vor knapp einem Jahr auch nicht nehmen, den feierlichen Startschuss für eine ganz besondere Fabrik in der niederländischen Gemeinde Bergen op Zoom zu geben: Am 11. Juni 2019 eröffnete das niederländische Unternehmen Protix hier die größte Insektenfabrik der Welt. Auf 14.000 Quadratmetern produzieren die Niederländer Insekten und verarbeiten diese zu Rohstoffen bzw. Zutaten für Futter- und Lebensmittel weiter – alles hochautomatisiert mit Technik der Schweizer Bühler Group.
Während die Niederlande mit Hightech-Unternehmen wie Protix und Protifarm jahrelange Kompetenzen in der Produktion von Lebensmittel-Insekten vorweisen können, gibt es in Deutschland nur eine kleine Handvoll Unternehmen, die Speiseinsekten produzieren oder dies in naher Zukunft planen. Damit mussten deutsche Insektenfood-Startups für ihre Lebensmittel wie Riegel, Pasta oder Pulver bislang auch auf Insekten aus dem Ausland – vor allem den Niederlanden, aber auch aus Kanada oder Thailand – zurückgreifen. Genauso wie deutsche Verbraucher:innen, die zu Hause mit ganzen Insekten oder Insektenmehl kochen wollen. Das könnte sich in Zukunft ändern.
„Made in Germany“: Essbare Insekten aus Süddeutschland
Rund 15 Kilometer südlich von Ulm liegt Schnürpflingen, eine kleine Gemeinde mit 1.300 Einwohnern. Hier stehen auf einem 5.000-Quadratmeter-Grundstück zwei Produktionshallen mit 4.000 Quadratmetern, die dem im Januar 2019 gegründeten Unternehmen Six feet to eat Insektenzucht GmbH gehören. Hier produziert das Team um die Geschäftsführer Frank Gramlich und Jürgen Müller und den Biologen Michael Bullmer Insekten als Lebensmittel und Futtertiere sowie Dünger aus den Ausscheidungen und Chitin als Rohstoff für weitere Industrien.
Auch Six feet to eat kann auf weitreichende Kompetenzen zurückgreifen, denn in Schnürpflingen wurden auch schon lange vor 2019 Insekten gezüchtet. Hier produzierten die Unternehmen b.t.b.e Insektenzucht GmbH und German Insect GmbH knapp 20 Jahre lang Futterinsekten für Terrarianer, Tiermärkte und Zoos. Beide Unternehmen mussten im Februar 2017 Insolvenz anmelden, als Grund wurden die hohen Betriebskosten und wachsender Preisdruck für Futterinsekten aus dem Ausland genannt. Auf der bestehenden technischen Infrastruktur konnte Six feet to eat aufbauen.
Moderne Klimatechnik und nachhaltige Energieversorgung
Die Gebäude mit ihrer technischen Anlage wurden Mitte 2018 übernommen, grundgereinigt und saniert und anschließend zum Lebensmittelbetrieb umgebaut. Die Gebäudetechnik mit Wärmerückkopplungen und Wärmepumpen liefert die optimalen klimatischen Bedingungen für die hier produzierten Insekten – Mehlwürmer, Hausgrillen und Europäische Wanderheuschrecken (für Lebensmittel) sowie Mittelmeergrillen, Steppengrillen und Zophobas (nur als lebende Futterinsekten). Die Energie für die Produktion stammt aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, die den Strombedarf vollständig deckt und sogar mehr Strom produziert als das Unternehmen verbraucht.
Insektenfarm als Lebensmittelbetrieb mit behördlicher Genehmigung
Laut Unternehmen verfügt die Insektenfarm über eine behördliche Genehmigung, als Lebensmittelbetrieb arbeiten zu dürfen. Es seien mehrfache Audits durch das Veterinäramt des zuständigen Landratsamtes Alb-Donau, das Landeskontrollteam Lebensmittelsicherheit Baden-Württemberg (LKL BW) sowie das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Freiburg erfolgt.
Mehlwürmer, Grillen, Heuschrecken aus deutscher Zucht
Im Bereich der Speiseinsekten konzentriert sich Six feet to eat auf drei Arten, die als Lebensmittel besonders interessant sind und auch in Deutschland bereits vielfach Verwendung finden: Mehlwürmer, also die Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor), Hausgrillen (Acheta domesticus) sowie Europäische Wanderheuschrecken (Locusta migratoria).
Mehlwürmer zum Essen aus Deutschland
Die Mehlwürmer bietet das Unternehmen sowohl als ganze, getrocknete Insekten an, als auch gemahlen als Insektenmehl bzw. Insektenpulver zum Kochen und Backen. In ganzer Form eignen sie sich pur oder gewürzt als Snack, zum Garnieren von Gerichten (z.B. Salaten, Suppen oder Süßspeisen) sowie als proteinreiche Zutat in Müslis. In gemahlener Form sind sie ein proteinreicher Ersatz für Weizenmehl beim Brot- oder Pizzabacken, für Fleisch in Burgern oder Fleischbällchen oder können in Smoothies oder Protein-Shakes eingerührt werden. Auch für Jungunternehmen, die Lebensmittel mit Insekten als Zutat herstellen, sind Mehlwürmer eine beliebte Zutat: Mit dem Insektenfood-Startup Brento aus Schwäbisch-Gmünd, das Backmischungen mit Mehlwurmmehl anbietet, arbeitet Six feet to eat bereits zusammen.
Grillen deutscher Herkunft für Insektenfood aus Baden-Württemberg
Die Hausgrillen gibt es ebenfalls ganz oder gemahlen. Auch Grillenmehl ist eine beliebte Zutat in Insekten-Lebensmitteln. Es gibt Gerüchte, dass das Grillenmehl für die Insektennudeln des Startups Beneto Foods – ebenfalls aus Baden-Württemberg – in naher Zukunft auch aus Schnürpflingen kommen könnte.
Essbare Wanderheuschrecken aus deutscher Zucht
Zu den edelsten (und teuersten) Speiseinsekten gehören Wanderheuschrecken, insbesondere weil sie schwieriger zu züchten sind als andere Insektenarten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Six feet to eat die Tiere nur getrocknet in ganzer Form anbietet. Vor der Zubereitung müssen Flügel und Sprungbeine noch entfernt werden. Danach sind sie geeignete Zutaten als Pizzabelag, als Hauptzutat in Fleischgerichten oder aber auch mit Schokolade überzogen als Süßspeise.
Frische, tiefgefrorene Insekten zum Essen
Speiseinsekten werden üblicherweise gefriergetrocknet angeboten. So ist eine lange Haltbarkeit garantiert und sie sind leicht zu versenden. Zusätzlich zu den getrockneten Insekten bietet Six feet to eat noch eine Besonderheit an: Tiefgefrorene Speiseinsekten. Dafür friert das Unternehmen frische Insekten in einer eigenen Tiefkühlzelle bei -18 Grad ein. Ähnlich wie Garnelen oder anderes Seafood können sie so zu Hause wie frisch zubereitet werden. Das gab es so auf dem deutschen Markt bislang nicht und ist ein echter Mehrwert für alle Verbraucher:innen, die auf den Geschmack frischer Insekten anstelle von getrockneten setzen wollen.
Eigener Online-Shop
Die ganzen Speiseinsekten sowie die Insektenmehle bietet Six feet to eat über den eigenen Online-Shop Catch Your Bug an. Daneben gibt es dort auch zahlreiche Insekten-Rezepte zum Nachkochen oder als Inspiration.
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